Wie kann man realistisch in die Zukunft blicken, ohne naiv zu sein und gibt es dafür Inspiration? Mit Vorsicht möchte ich ein Buch empfehlen, das mich die letzten Monate sehr beschäftigt hat: Ingolfur Blühdorn analysiert, warum die Nachhaltigkeit in unserer Gesellschaft zwar in immer breiteren Kreisen beschworen wird, die Lage sich aber immer weiter verschlechtert. Für ihn erscheint vor allem eins nachhaltig: die Nicht-Nachhaltigkeit.

Auf der einen Seite beschreibt er, wie die Tatsachen seit dem Brundtland-Bericht (1987), dem Club of Rome (1972) bis hin zur Pariser Klimakonferenz (2015) schon über 50 Jahre auf dem Tisch liegen. Es ändert sich aber nichts zum Guten, im Gegenteil: Die CO2-Emissionen haben weltweit auch 2024 wieder zugenommen.

Interessanterweise fängt Blühdorn nicht an, einfachheitshalber den schwarzen Peter einseitig dem Kapitalismus zuzuschieben. Vielmehr geht es ihm darum aufzuzeigen, wie sich unsere westlichen Gesellschaften in einem dialektischen Prozess selbst immer weiter in die Krise reiten. Ein immer stärker individualisierte Gesellschaft, die auf Selbstverwirklichung setzt, erkennt zunehmend, dass das „gute Leben“ für alle längst nicht mehr reicht. Rücksichtsloses „Wenn ich das jetzt noch mal mache …“, setzt sich vermehrt durch, Fakten werden ausgeblendet und an den Rändern der Gesellschaft wird dicht gemacht. Vieles bleibt so auf der Strecke (Natur) oder verliert zunehmend Legitimation (simulative Demokratie) und lässt so Vertrauen schwinden (in einen funktionsfähigen Staat).

Mir persönlich hat das Buch ganz schön zugesetzt, es verdunkelt die Weltsicht. Einige meiner bisherigen Überzeugungen musste ich über Bord werfen. Blühdorn öffnet einem die Augen und man schaut auf die Postapokalypse. Und er weist es weit von sich, Lösungen anzubieten. Nachdem ich den Schock einigermaßen überwunden hatte, machte ich mich auf die Suche nach einem Vademecum. Der Algorithmus hat mir dankenswerter Weise Axel Hackes kleines Buch über die Heiterkeit in die Timeline gespült. Die Polykrisen verdunkeln einem ja ziemlich den Horizont und man fragt sich, ob man sich in diesen Zeiten überhaupt noch so etwas wie „Heiterkeit“ erlauben darf. Im Rückgriff auf die österreichische Autorin Doris Knecht macht Hacke sehr deutlich, dass das eine mit dem anderen wenig zu tun hat und Heiterkeit um so überlebenswichtiger sein kann. Das war (m)eine Erleichterung: endlich wieder befreit lachen!

Weiterführend:

Ingolfur Blühdorn / Felix Butzlaff / Michael Deflorian / Daniel Hausknost / Mirijam Mock
Nachhaltige Nicht-Nachhaltigkeit
Warum die ökologische Transformation der Gesellschaft nicht stattfindet.
Transscript, 334 Seiten.

Axel Hacke
Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte.
Dumont, 224 Seiten
(ich habe es als Hörbuch gehört und mich über die Stimme des Autors gefreut, der die Nuancen seines eigenen Textes sehr gut zum Ausdruck bringt)

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