Wenn man sich mit der Plattform TikTok auseinandersetzt, stößt man schnell auf Bedenken, dass Daten gesammelt und weitergegeben werden können. Diese Sorge ist berechtigt und zum Glück haben wir in der EU und in Deutschland strenge Auflagen zur Datensicherheit.
Schnell wird bei dieser Art von Diskussion übersehen, dass vielleicht noch bedeutsamer der Empfehlungsalgorithmus der App selbst ist. Dieser entscheidet darüber, welche Inhalte an die Nutzer individuell ausgespielt wird. Und genau darüber werden letztlich Meinungen transportiert. In den USA wird derzeit diskutiert, dass aus Sicherheitsgründen TikTok im Besitz einer amerikanischen Gesellschaft sein solle. Für diesen Fall hat die chinesische Regierung bereits klargestellt, dass der Algorithmus nicht zum Verkauf steht. Angesichts der Wahlergebnisse in letzter Zeit und der Bildschirmzeit, die junge Menschen mit TikTok verbringen, gibt diese Aussage Klarheit darüber, wo die eigentliche Einflussnahme durch die App stattfindet.
Die Regierung in Taiwan geht sogar noch einen Schritt weiter: Sie hat nicht nur vor vier Jahren bereits die App in der Verwaltung verboten, sondern diskutiert im Parlament zurzeit einen Vorschlag, dass TikTok eine rechtliche Vertretung in Taiwan haben und somit haftbar für die Inhalte gemacht werden soll. Um die dortige Gesellschaft gegen Verunsicherung resilienter zu machen, lernen Kinder im Fach Medienkompetenz, wie sie Nachrichten aus dem Internet einem Faktencheck unterziehen können und Quellen prüfen.
Um die Bürger:innen stärker demokratisch mit dem Staat zu verbinden, hat Taiwan außerdem die Software „Polis“ entwickelt und eingeführt. Darüber werden regelmäßig die Meinungen zu Gesetzesvorhaben abgefragt und jede Einzelne kann eigene Fragen hinzufügen; bekommt eine Frage genügend Zustimmung, genügend Likes, steigt sie in der Umfrage nach oben und kann so ggf. in die Diskussion der Regierung Eingang finden.
Dies ist ein Beispiel, in dem eine Gesellschaft und die Demokratie mithilfe von Software gestärkt, vielleicht auch ein Stück resilienter wird. Die Menschen werden auf ihren Smartphones abgeholt und mitgenommen, um so weniger Politikverdrossenheit aufkommen zu lassen.
Gibt es Software-Unternehmen in Deutschland, die sich für so etwas engagieren und ihre Ressourcen einsetzen? Könnte unsere Gesellschaft mehr positive Einstellung zur Politik vertragen, weil Bürger:innen Selbstwirksamkeit verspüren? Ist unsere Demokratie gefährdet und würde digitale Resilienz zu ihrer Sicherheit beitragen? Ich meine „Ja“. Ruft jemand „Challenge accepted“?
Weiterführend:
Die Zeit vom 23.05.2024: „Wir leben in der Zukunft“, Interview mit Audrey Tang, Digitalministerin Taiwan, S.22.
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