Was sich wirklich brutal verändert, ist der Umgang mit der Zeit: Alles muss schneller werden. IT-Unternehmen, die ihre Kunden bei der digitalen Transformation unterstützen, bemerken einen Shift und reagieren: Die Digitalisierung der Geschäftsmodelle geht häufig mit neuen IT-Infrastrukturen einher, die auf der Cloud basieren und die Kunden wünschen sich für die digitale Produktentwicklung kürzere Time-to-Market-Zyklen.
Und es muss nicht nur schneller werden, sondern immer mehr Beauftragungen erfolgen auch aus dem Fachbereich, der ein stärkeres Zusammenwachsen von IT und Business fordert. Dies erfolgt in cross-funktionalen Teams. In Folge dessen bilden sich aufseiten der Softwarehäuser neue Rollen heraus, wie zum Beispiel die des „Digitalen Designers“, die/der für das ganzheitliche Gestalten digitaler Produkte Verantwortung übernimmt, indem sie/er die verschiedenen Teildisziplinen der Softwarekonzeption wie Visionsgestaltung, agiles Requirements Engineering, UI Design und UX Design in ihrer/seiner Rolle zusammenführt. Mit ihrer Kernkompetenz, Brücken zwischen fachlicher Gestaltung und technischer Umsetzung zu bauen, sorgen sie insbesondere in frühen Phasen dafür, dass die unheilvolle Melange aus Zeitdruck und nur ansatzweise vorhandener Vision in agilen Projekten nicht in die Sackgasse führten: Wir wissen nicht genau wohin, sind aber auf jeden Fall schneller dort. Na prima. Digitale Designer:innen hingegen halten Spur. Genau das hilft, agiles Nirwana zu umschiffen.
Die digitale Produktorientierung setzt organisatorisch und prozessual auf neue Modelle der Zusammenarbeit. Das „Weniger an Zeit“ erfordert neben neuen Cloud-nativen Technologien (Stichwort: MACH) auch und gerade ein fluideres Teamverständnis und erfordert erweiterte Managementqualifikationen von digitalen Designer:innen.
Alles wird schneller, beweglicher, fluider und das bezieht sich gerade nicht nur auf Technologien, sondern meines Erachtens scheint die größere Stellschraube hier das Management zu sein. Eine Branche sucht angesichts der digitalen Transformation nach einer neuen Balance von Management und Technologie. Und das gilt auch für die Kommunikation, die Gestaltung, die die geforderte Ambiguitätstoleranz in neuen Konzepten von Corporate Design realisieren.
Monolithische Dachmarken, bei denen alle 10 Jahre das Logo und die Hausschrift behutsam entstaubt werden, werden weniger. Vielfalt und Wandel werden nicht nur konzeptionell berücksichtigt, sondern führen auch zu fluiden Designs, ein paar Beispiele:
Green City in München beispielsweise setzt sich für Strom aus Erneuerbaren und nachhaltige Mobilitätskonzepte ein und hat dem Wandel des Lebensraums Stadt durch unterschiedliche grafische Muster der Buchstabenstruktur im Corporate Design Rechnung getragen. Fluides Design ist über einen Zufallsgenerator sogar in den Font implementiert. Dadurch variieren Muster und Bereiche der Buchstaben, die durch Muster ersetzt werden, und es entstehen immer wieder neue »Wortbilder«.
Das dänische Start-up Vidun unterstützt die eigenen Mitarbeiter:innen mit einem Überblick über ihren Gesundheitszustand und ihr Stressniveau. Individuell konzipierte Gesundheitsprogramme für den Arbeitsplatz helfen bei der optimalen Work-Life-Balance. Die Agentur Bold Kopenhagen hat dies in ein Corporate Design unter dem Titel „Puls des Lebens“ umgesetzt – ein bunter Markenauftritt, hinter dem wissenschaftliche Methoden sowie eine ausgeklügelte firmeneigene Software stehen.
Die niederländische Agentur Clever Franke schafft data driven brands, indem beispielsweise Live Events mit der Marke durch Daten eng verbunden werden: Für jeden Besucher mit Sensoren wird die „flight of the night“ aufgezeichnet und nach dem Event als Print der individuellen Visualisierung jeder/m geschenkt. So werden ganz neue Verbindungen von Daten-Visualisierung, Individualität und Vision einer Marke vereint und erweitern den Raum für das Markenerlebnis spürbar.
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