Als ich als Kommunikator in den 90ern in der IT-Branche startete, stand die externe Kommunikation im Vordergrund: Alle waren scharf darauf, in den Wirtschaftsmagazinen, in den Branchen-Bildzeitungen stattzufinden. Wenn dies nicht durch die normale Berichterstattung möglich war, dann gab es noch die Möglichkeit einer monumentalen Werbeanzeige, mit der man seine Größe und Ambition kommunizierte.

Mit der Verschiebung von Print nach Digital wird das heute über die eigene Corporate Website erreicht. Gute Inhalte plus entsprechendes SEO erzeugen die gewünschte Wahrnehmung. Gerade auch BewerberInnen wissen die Unternehmens-Website als zentrale Informationsstelle zu schätzen – alles an einem Platz.

Herausfordernder stellt sich heute die Situation für die interne Kommunikation dar. Genauso wie die Software-Entwicklung agiler geworden ist, verflüssigen sich auch die Organisationen, alles wird dezentraler, hybrider, Entscheidungen werden vor Ort verlagert. Das gibt viel für das eigene Selbstbewusstsein, die Motivation, das Gefühl, Dinge bewegen zu können. Und sicherlich fördert es das so häufig geforderte Unternehmertum im Unternehmen.

Welchen Einfluss hat das aber auf das Zugehörigkeitsgefühl? Bei einem ArbeitnehmerInnen-Markt nicht ganz unbedeutend, denn es geht ja nicht nur darum, neue IT-MitarbeiterInnen zu gewinnen, sondern diese auch an Bord zu halten. Insofern gewinnt die interne Kommunikation an Bedeutung und häufig wird ihr deshalb der Auftrag zugeschrieben, so etwas wie den sozialen Klebstoff für die Organisation zu liefern. Das ist der Versuch, zentral die ausufernde Dezentralität wieder einzufangen. Und für das Management ist dies Kommunikations-Baldrian, das die flatternden Nerven angesichts der zerrinnenden Steuerbarkeit beruhigen soll. Schön naiv der Kommunikator, der solche Aufträge einfach annimmt.

Es geht nicht darum, die zentrale Steuerbarkeit der Organisation über die interne Kommunikation wieder herzustellen. Vielleicht ist es an der Zeit, zu akzeptieren: die Verflüssigung der Organisation ist gekommen, um zu bleiben. Im Bild gesprochen: Das Headquarter ist nicht mehr die Sonne, um die die Planeten kreisen, sondern wir haben es eher mit einem großen Vogelschwarm zu tun, der abgehoben hat und den ein komplexes Nebeneinander von Zentren steuert – wenn man hier überhaupt noch von Steuerung sprechen will.

In diesem Kontext hat dann die interne Kommunikation nicht mehr die Aufgabe, sozialen Kommunikationskit zu produzieren, sondern es geht eher darum:

  • eine zunehmend personalisiertere und segmentiertere Kommunikation, die die unterschiedlichen, diversen Menschen, Präferenzen und Erwartungen berücksichtigt und ihnen relevante und maßgeschneiderte Inhalte bietet bzw. zu ihrer selbstständigen Produktion befähigt;
  • eine stärkere Unterstützung der Führungskommunikation, die Transparenz, Authentizität und Querverbindungen fördert und die MitarbeiterInnen durch Veränderungen coacht; hier wird nicht mehr nur Markt- und Wettbewerbsbeobachtung (extern), sondern zunehmend interne Beobachtung und Information wichtig;
  • eine kreativere Verbindung der großen Unternehmenserzählung mit vielen, kleinen Geschichten;
  • KollegInnen, die dafür nicht ausgebildet sind, zur Kommunikation zu befähigen und zu unterstützen, da Informieren und Kommunizieren nun mal einfach Zeit kosten.

Althergebrachte zentrale Lösungen wie: Unser Intranet muss nur social werden, dann klappt das schon, oder: Wir brauchen halt mal eine zentrale Mitarbeiter-App, zeigen, dass die organisationalen und kulturellen Veränderungen noch nicht verstanden worden sind bzw. man versucht, mit alten Lösungen neue Probleme zu bearbeiten. Die Organisation ist 2023 eine andere und die interne Kommunikation muss sich neu erfinden.

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