Wir lieben es, wenn Dinge klar benannt oder gar zugespitzt werden, weil wir glauben, dann deutlicher zu sehen. Häufig ist das so, wenn Diskussionen dadurch versachlicht werden, dass man sie mit Zahlen und Fakten grundiert. Mich beschleicht allerdings dann nicht selten das Gefühl: Achtung Glatteis! Hier suggeriert mir jemand die Unausweichlichkeit einer Lösung, meistens: seiner Lösung. Die Suchbewegung beginnt unbewusst im Kopf, es muss doch eigentlich mehr Möglichkeiten geben, oder?
In der aktuellen Diskussion um die Außenpolitik gibt es ein beeindruckendes Beispiel. Im wirtschaftlichen Umgang mit Ländern, die sozial und kulturell stark von unseren Vorstellungen bei Menschenrechten und Demokratie abweichen, galt bislang: Wandel durch Handel. Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und der Umorientierung in der Energieversorgung scheint diese Maxime fragwürdig. Und man sucht nach neuen Konzepten für den Umgang mit Großmächten, mit denen Deutschland wirtschaftlich stark verflochten ist und für die man eine andere Balance von Autarkie und Zusammenarbeit benötigt.
Das Außenministerium hat vor kurzem eine neue China-Strategie vorgestellt. Im Erfahrungshorizont des Krieges und verbunden mit dem Wunsch, Abhängigkeiten zu minimieren, wäre ein De-Coupling die logische Konsequenz gewesen. Hier zeigt sich nun die hohe Kunst der Diplomatie: Statt von einem De-Coupling spricht man von einem notwendigen De-Risking. Statt sich also von der Wirtschaftsbeziehung ganz zu lösen, verbleibt man mit dem Ansatz des De-Riskings in der Beziehung und gibt zu verstehen: Wir müssen diese Beziehung so gestalten, dass nicht zu große Risiken auf unserer Seite verbleiben. Das erhält die Beziehung und öffnet gleich die Denksackgassen, um neue Lösungen zu suchen und hoffentlich auch zu finden.
De-Risking ist ein gelungenes Beispiel für ein Re-Framing. Neben der Politik wird das auch gerne in der Werbung verwendet, denn es ist sowas wie ein Umparken im Kopf. Unternehmen, die sich im Leistungsangebot stark ähneln, können sich über ein solch neues Framing differenzieren und einen Unterschied machen. Oder auf eine weitere, bislang wenig beachtete Facette ihres Warums hinweisen. Studien belegen, dass ein solches Re-Framing die gleiche Glaubwürdigkeit wie eine zweiseitige Begründung erzielt, gleichzeitig aber so unterhaltsam wie Humor wahrgenommen wird. Umparken ist eine Kunst.
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