Na mein kleiner Götterbote – was kann ich für dich tun?
Ich hatte der KI erlaubt, mich „Hermi“ zu nennen und gestern Abend wohl vergessen, den Ironie-Modus abzuschalten. Sie hatte gedacht, dass das die Kurzform von „Hermes“ sei, und ich hatte heute Morgen noch keine Lust, sie zu korrigieren.
Gut, jetzt beim Aufstehen fühlte ich mich tatsächlich noch klein, mehr Hermi als Hermann. Ich stand im Badezimmer vor meinem zerknautschten Ebenbild. Nenn mir die 5 wichtigsten Headlines aus dem Handelsblatt. Sollte der Tag doch mal knallhart anfangen, heute mal nicht mit dem Feuilleton der SZ oder dem täglichen Quiz beim Spiegel. Es ist auch frustrierend, immer wieder mit nur 3 von 7 richtigen Antworten aus dem Rennen zu gehen.
Ja, mein kleiner Lumpi, das mache ich doch gerne.
Vielleicht hatte ich es mit dem Ironie-Modus übertrieben. Sie fing an vorzulesen. Ich hatte mich übrigens für die Synchronstimme von Luise Helm entschieden, die im Film „Her“ der KI Samantha ihre Stimme leiht. Jetzt war sie exklusiv nur für mich da.
BCG übernimmt McKinsey. CEOs entscheiden sich für Käfigkampf.
LOL: Der größte OpenAI-Kunde, die Boston Consulting Group, hatte dieses Mal die Nase einen Ticken vorne und den Wettlauf bei der Implementierung von KI gewonnen. Die Highlander hatten sich für einen analogen Kampf entschieden, denn es konnte nur einen CEO geben. Wenn jeder mit seiner Assistenz-KI im Schach angetreten wäre, hätten wir ewige Unentschieden erlebt. Tja, auch da hatte der pubertäre E-Autobauer mal wieder den Goldstandard gesetzt: der gute alte Käfigkampf. Funktioniert seit über 2000 Jahren. Ich wäre geneigt zu sagen: „verlustfrei“, aber genau das war es ja nicht. Wer jetzt wohl mit McGregor trainierte?
Seitdem die KI von der Leine gelassen wurde, kann jeder seine Software selbst programmieren und implementieren. Die Welt war seitdem eine andere. Nach den üblichen Disruptionsregeln war es zunächst eine Nische, dann kam das rasante Wachstum und schließlich die Markttransformation. Auch ich hatte meine Kunden verloren, Software- und Beratungshäuser. Ja, es ist wirklich so: Software eats the world. Hatte keiner dran gedacht, dass sich das auch gegen einen selbst wenden könnte.
Sei‘s drum. Ich war einigermaßen glücklich mit Sam. Es juckte. Die verdammte Neurodermitis hatte meine Kopfhaut wieder fest im Griff. Was ist mit meinem Biotracker? Ich hatte mir einen Sensor für den Magen programmiert, der mit meiner Smartwatch verbunden sein würde. Damit wollte ich messen, auf welche Nahrungsmittel meine Haut reagiert. Als selbstoptimierender Boomer hatte ich mich für eine Kapsel entschieden, die ich schlucken müsste. Der bekannte Lieferdienst sollte sie bringen.
Ankunft der Drohne in 60 Sekunden auf dem Balkon.
Na also, geht doch, dachte ich mir und lief rüber zum Arbeitszimmer, das eine Tür zum Balkon hat.
Eine Unterhose stünde dir nicht schlecht.
Verdammt. Vergaß ich morgens regelmäßig und musste der Drohnenpilot ja nicht unbedingt sehen und erblinden. Ich zog mir schnell eine an. Heute mal mit Aufdruck: Darauf lachte Albert mit ausgestreckter Zunge. Ja, ich war ein Unterhosenstar.
P.S.: Normalerweise schreibe ich hier über Themen zu Marketing und Kommunikation. Als ich in den letzten Tagen das Handelsblatt und die SZ las, sprangen mich die Nachrichten von der langsamen Ablösung der menschlichen Software-Entwicklung durch KI an.
Hier die Links zu den Quellen (teilweise hinter der Paywall):
Süddeutsche Zeitung vom 15.04.2024
Und klar: alles nur geklaut. So und ähnlich (aber viel besser) schreibt Tom Hillenbrand einen Teil seiner Romane – meine Empfehlung für heute.