Es tut sich was im Lande der Nerds, konkret: ein Imagewandel zeichnet sich ab, den die IT-Branche auch dringend braucht, auch wenn sie selbst dies noch nicht vollständig realisiert hat. Während der Duden beim „Nerd“ bis vor kurzem noch vom „sehr intelligenten, aber sozial isolierten Computerfan“ sprach, verbessert sich das Ansehen gesamtgesellschaftlich: Immerhin 28% sehen den Begriff als positiv an und 23% würden sich in Deutschland sogar mit Stolz als Nerd bezeichnen (Studie Jung von Matt/NERD GmbH 2020). Klar: Luft nach oben.

In der IT-Branche ist der Imagewandel besonders bedeutsam, da das Ansehen eines Studienfaches im Freundeskreis schon mitentscheidet, ob man diesen Weg einschlägt. Ist Informatik etwas Cooles? Auch für Frauen? Wie schlägt die Work-Life-Balance zu Buche? Keine unwichtigen Fragen für die IT-Branche, die seit Jahren unter dem Fachkräftemangel leidet.

Der sozio-demografische Wandel vollzieht sich bereits vor unseren Augen, wird aber nicht wahrgenommen, weil die Vorurteile die Sicht auf das Phänomen verdecken. Der leicht komische, introvertierte Nerd steht im Vordergrund und verdeckt, was man dahinter zu sehen bekäme. Eine neue Pop- und Leitkultur nimmt immer mehr Raum über alle Medien hinweg ein: Blockbuster brechen Jahr um Jahr die Rekorde, von Star Wars bis Avengers, von Game of Thrones bis Big Bang Theory. Auf der Gamescom in Köln haben sich gerade 265.000 Nerds aus 100 Ländern getroffen, um Games, Kostüme, Comics und Spielzeugfiguren abzufeiern. Ja, und nicht vergessen: das ist vor allem auch ein soziales Event, weil man seine Buddies aus den Spielen IRL endlich mal treffen kann. Und an den Rändern vergrößert sich diese sozio-demografische Entwicklung weiter in Richtung Science-Fiction, Mangas, Animes, Cosplay.

Aber wären die Nerds vor den Bildschirmen auch möglicherweise diejenigen, die hinter den Bildschirmen Spiele und Anwendungen programmieren würden? Kann jemand heute Jump ‘n Run spielen und sich morgen, sagen wir mit „Enterprise Application Integration“ beschäftigen? Würde sich das lohnen, wenn IT-Unternehmen werblich oder Sponsoring-mäßig im Gaming- oder Esport-Umfeld einsteigen, in der Hoffnung, auf Nachwuchskräfte zu stoßen?

Zwei Beispiele, die indikativ zu interpretieren sind:

Eine dreißigjährige Game-Designerin berichtet, dass ihre Freundin Ärztin ist und ihr manchmal Programme für medizinische Geräte zeige, und sie dann denke: Da sollte mal eine Game-Designerin ran! Hier scheint eine Drehtür für UX-Designer*innen aufzugehen.

Eine Entwicklerin bei einer großen IT-Beratung macht nach Feierabend: an einem Multi-User-Dungeon mitprogrammieren, „Hearthstone“ zocken und auf Twitch streamen. Wenn man solche interessanten Kandidatinnen erreichen will, dann muss man vielleicht über In-Game-Advertising nachdenken, könnte sich lohnen. Denn wie die oben genannte Studie auch zeigte: Die große Mehrheit der Nerds würde es begrüßen, wenn Marken mehr Präsenz, Engagement, Sponsoring zeigen würde.

Jenseits der puren Notwendigkeit liebe HR-Marketers in der IT-Branche: Es macht auch einfach richtig viel Spaß, Kreatives im popkulturellen Umfeld der Nerds zu entwickeln. Create! Enjoy! Ach, übrigens: Der Duden hat den Eintrag zum „Nerd“ inzwischen geändert: Jemand, der für ein spezielles Fachgebiet besonders großes Interesse zeigt und viel Zeit damit verbringt. Sie haben es anscheinend immer noch nicht verstanden, aber immerhin bewegt sich was.

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