Standards prägen unser Sprechen und Sehen. Die dpa und der Spiegel formen in hohem Maße unsere Beurteilung von „normaler“ bzw. „angemessener“ Sprache. Beim Sehen von Schriften orientieren wir uns an den Microsoft-Vorgaben über die Jahre für den Standard-Absatz: Times Roman – Arial – Calibri. Mit der Dominanz des Smartphones und kleinerer Displays sind serifenlose Schriften auf dem Vormarsch. Auch beim Logo-Design: Viele Fashion-Brands und Luxusmarken haben in letzter Zeit beim Redesign zu Grotesken gewechselt – und an Charakter verloren. ( https://www.businessoffashion.com/opinions/luxury/the-revolution-will-not-be-serifised-why-every-luxury-brands-logo-looks-the-same-burberry-balmain-balenciaga/ )
Meistens sehen und lesen wir Schrift, ohne zu merken, welche Wirkung sie bei uns entfaltet. Wir schauen an der Oberfläche und fühlen unterbewusst. Damit meine ich die subtileren Wahrnehmungsprozesse. Offensichtliches wie zum Beispiel ein Warnschild zur „Lebensgefahr“, das die Schrift Comic Sans verwendet, würden wir sofort als Scherz interpretieren. Das fände ja bereits auf der bewussten Ebene statt. Interessanter wird’s, wenn die Beeinflussung unbewusst abläuft.
Marken wollen vom Konsumenten nicht nur wahrgenommen werden, sondern sie sollen ihnen auch vertrauen, weil sie Sicherheit und Zuverlässigkeit vermitteln. Logo, Bild, Grafik vermögen dies auf einen Blick zu leisten, kann es aber auch die dazu gewählte Schrift? Falls nicht, kriechen hier Unwohlsein und beginnendes Misstrauen in unser Halbbewusstsein.
Gerade wenn es um die Brand Mission geht, wenn Werte wie Qualität, Unabhängigkeit und Innovation hochgehalten werden, kommt es darauf an: Unterstützt die gewählte Schriftart glaubwürdig das Leistungsversprechen? Und wenn „Ja“: Kann man den Impact einer richtig gewählten Schrift messen?
Es zeigen sich signifikante Unterschiede: Setzt man das Wort „Qualität“ in unterschiedlichen Schriftarten, dann kann das Urteil der Befragten zur Bedeutsamkeit um 13% besser ausfallen, wenn die passende Schrift gewählt wird. Die Erinnerungswirkung steigt um 10% und die Einschätzung der Vertrauenswürdigkeit um 9% (https://www.monotype.com/neurons). Selbst bei längeren Texten macht die richtig gewählte Schrift einen Unterschied von bis zu 6% aus, wenn es um die Erinnerung oder Einschätzung der Aufrichtigkeit geht. 13% sind eine Menge Unterschied. Was heißt das für IT-Marken? Der „War for Talents“ führt zu sehr vergleichbaren Angeboten zwischen den um Nachwuchskräfte buhlenden IT-Unternehmen. Die Ansprüche der neueren Generationen sind hoch, man will vor Abschluss eines Vertrages viel wissen. Die Unternehmenskultur, die Werte, das gebotene Lernumfeld werden einer genauen Prüfung unterzogen. Stimmig, authentisch, überzeugend sollen sie am Ende des Tages zum Beispiel auf der Website zu finden sein. Wenn alle IT-Unternehmen in der Gunst der Bewerber ähnlich nah beieinander liegen, dann sind 13% absolut Hammer. Und neben den Inhalten sollte man sich auch Mühe bei der Wahl der Schriftarten machen. Es könnte den entscheidenden Unterschied ausmachen.