Was sind das eigentlich für Menschen: die Kreativen? Im Unternehmen gibt es dazu Vorstellungen (Marketing halt – typisch Kreative: tolle Ideen, aber immer ein bisschen verpeilt …), in der Verwandtschaft (Was machst du noch mal genau? Und damit kann man Geld verdienen?)und auch in der Wirtschaft (Die Kultur- und Kreativwirtschaft in Bayern schafft mehr Arbeitsplätze und Umsatz als die Chemieindustrie oder der Maschinenbau).
Aber wie gehts der Designwirtschaft in München eigentlich? Dieser Frage widmete sich ein Panel letzte Woche. Das Stadtmagazin MucBook hatte in sein Clubhouse „Perle“ eingeladen und unter der umsichtigen und inspirierenden Moderation von Marco Eisenack wurde die aktuelle Situation lebhaft diskutiert und das Publikum schon nach kurzer Zeit im Sinne der Co-Creation einbezogen.
Ich durfte auch mit aufs Podium und die Typographische Gesellschaft München (kurz: tgm) vertreten, ein gemeinnütziger Verein, der sich als interdisziplinäre Expertenplattform von Kreativen und Gestaltern versteht. Ursprünglich vor 130 Jahren mal von Schriftsetzern und Druckern gegründet, sind die 900 Mitglieder heute ein kreativer Haufen von Grafik- und Kommunikationsdesignerinnen, Werbern, Fotografinnen, Lettering Artitsts, Schriftentwerfern, Buchherstellerinnen, Künstlern, Editorial Designern, Illustratorinnen, Architekten, Interior Designern, Lehrbeauftragten, Professorinnen – ich weiß gar nicht, wo ich aufhören soll, eben: eine kreative Klasse.
Und wie kommt die Designwirtschaft in München denn durch die Krisen? Das kommt drauf an, wie mein alter Statistik-Prof zu sagen pflegte. Die Designwirtschaft ist gemessen an der Anzahl der Erwerbstätigen mit 13,3 % der zweitstärkste Teilmarkt der bayerischen Kultur- und Kreativwirtschaft. Rechnet man die Teilmärkte Werbemarkt und Architektur hinzu, kommt man sogar auf einen beachtlichen Anteil von über 33 %. (bayern design 2022: Studie zur wirtschaftlichen Relevanz von Design). Je nach Teilbranche haben sich die unterschiedlichen Berufsgruppen innerhalb der Designwirtschaft schneller und stärker erholt vom coronabedingten Umsatzrückgang. Webdesign, Möbeldesign oder digitales Kommunikationsdesign sind gut im Geschäft (geblieben). Alles, was mit Präsenz zu tun hatte (Event, Theater, Fotografie, Film, Modedesign) tat sich deutlich schwerer, wieder zu alter Form zurückzufinden.
Und im Zuge der Digitalisierung haben wir auch ein New Kid on the block: Wie wirkt sich denn AI (Artificial Intelligence) auf die Designwirtschaft aus? Die tgm will das wissen und hat ihre diesjährige Vortragsreihe im HP8 unter das Motto gestellt: Jumping ahead. Die ersten Einsichten dazu lieferte Franzi Sessler von der Agentur Kreatives, die berichtete, wie AI im eigenen Hause eingesetzt wird und ob das zu kreativen Höhenflügen führt.
Dort reicht es von einer aufmerksamkeitsstarken (schlecht lesbaren) AI Typo über Bilder, Zusammenfassungen von Kundenfeedbacks bis hin zu Storyboard-Entwürfen und künstlich generierten Voices. Was hier noch zur Stimulation von Kreativität und als smarte Assistenz dient, führt bei anderen schon zu spürbaren Umsatzeinbußen (Illustratorinnen, Fotografinnen). Deutlich wird auch: Individualität, eine unverwechselbare Note ist der beste Schutz gegen generative Beliebigkeit. Kreative Klasse eben. Ich meine, dass das vollständig disruptive Potenzial der KI sich bislang nicht entfaltet hat. Wir bewegen uns auf einer ersten Stufe, die zwar schon beeindrucken kann, aber bei weitem noch nicht die Möglichkeiten ausschöpft. Ich sehe in der KI auch mehr als einen Hype, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen, weil sie schon jetzt auf allen Rechnern und Smartphones für jeden verfügbar ist (man muss sich kein zusätzliches Tool anschaffen, wie eine VR-Brille beispielsweise, um sie nutzen zu können). Und zum anderen liegt ein Grund in der Geschwindigkeit ihrer Entwicklung – 3 bis 4 Mal schneller als zum Beispiel die Chipentwicklung gemäß dem Mooreschen Gesetz. KI ist ein echter Gamechanger.