Manchmal stolpere ich über einen Text, bei dem mir nicht nur ein Licht aufgeht, sondern ein ganzer Kronleuchter. Solche Einsichten finde ich ausnahmsweise absolut Hammer… Für eine Rede, eine Präsentation, eine persönliche Nachricht sucht man manchmal solch eine Story, um einen Einstieg zu finden, um etwas zu verdeutlichen. Deshalb möchte ich diesen Text mit euch teilen:
Drei Männer sind frühmorgens mit dem Auto in einer Stadt unterwegs. Um eine Analogie herzustellen, nehmen wir an, jeder der drei stehe für einen bestimmten Typ eines Tennisspielers. Der rechts sitzende Mann ist ein positiv denkender Mensch, der meint, sein Spiel sei großartig, und der ein starkes Selbstwertgefühl hat, weil er sein Tennisspiel so überlegen findet. Nach eigener Einschätzung ist er außerdem ein Playboy, der all die „Freuden“ genießt, die das Leben zu bieten hat. Der Mann in der Mitte ist ein negativer Denker, der unablässig analysiert, was mit ihm selbst und der Welt an sich nicht stimmt. Er ist ständig mit irgendeinem Programm zur Selbstverbesserung beschäftigt. Der dritte Mann, der auch der Fahrer ist, befindet sich in einem Prozess, in dem auf bewertendes Denken ganz verzichtet wird. Er spielt das Innere Spiel, genießt die Dinge, so wie sie sind, und tut das, was vernünftig scheint.
Das Auto hält an einer Ampel, und über die Straße geht eine wunderschöne junge Frau, die die Aufmerksamkeit aller drei Männer auf sich zieht. Ihre Schönheit kommt ganz besonders zur Geltung, weil sie splitternackt ist!
Der Mann zur Rechten denkt darüber nach, wie schön es wäre, in anderer Umgebung mit dieser Frau zusammen zu sein. Seine Gedanken jagen durch die Erinnerung an frühere Sinnesfreuden und beschäftigen sich mit Zukunftsfantasien dieser Art.
Der Mann in der Mitte sieht ein Beispiel für die moderne Dekadenz. Er ist sich nicht sicher, ob er die Frau überhaupt genau betrachten sollte. Mit den Miniröcken hat es angefangen, denkt er, dann kamen die Oben-ohne-, danach die Unten-ohne-Tänzerinnen, und jetzt laufen sie am helllichten Tag auf der Straße herum! Man müsste etwas tun, um dem ein Ende zu bereiten!
Der Fahrer sieht dieselbe Frau, die auch die anderen beiden beobachten, aber er betrachtet nur das, was er vor Augen hat. Er sieht weder Gut noch Schlecht, und deshalb fällt ihm ein Detail auf, das seinen beiden Mitfahrern entgangen ist: Die Augen der Frau sind geschlossen. Ihm geht auf, dass es sich um eine Schlafwandlerin handelt. Er reagiert umgehend mit gesundem Menschenverstand, bittet den neben ihm Sitzenden, das Steuer zu übernehmen, steigt aus dem Wagen und legt der Frau seinen Mantel über die Schultern. Dann weckt er sie sanft, erklärt ihr, dass sie wohl schlafwandle, und bietet ihr an, sie nach Hause zu begleiten.
Quelle: W. Timothy Gallwey, Tennis – Das Innere Spiel. Durch entspannte Konzentration zur Bestleistung. München 2012.
Meine Gedanken dazu:
Neben dem äußeren beobachtbaren Spiel auf dem Tennisplatz, läuft bei jedem Spieler auch noch ein inneres Spiel ab. Das ist häufig daran zu erkennen, dass der Spieler mit sich selbst spricht. Meist schimpft er mit sich selbst (So doch nicht!) oder versucht sich selbst zu coachen: (Den Schläger R U N T E R nehmen). Dieser verinnerlichte Trainer, der zwischen Magath und Kindergärtner oszilliert, bewertet ständig und ist dadurch weniger aufmerksam, weniger ergebnisorientiert. Das ist Selbst 1. Ganz anders verhält es sich mit dem inneren Wissen, um das, was getan werden muss: entspannt, aufmerksam, intuitiv. Das ist Selbst 2. Die Kunst besteht darin, Selbst 1 zu beruhigen und Selbst 2 zu erlauben, das Spiel zu übernehmen. Da für mich der Tennisplatz die Abbildung der Welt im Kleinen ist, halte ich die Entwicklung von Selbst 1 hin zu mehr Raum für Selbst 2 als eine meiner persönlichen Wachstumsaufgaben.