Manche Wörter leuchten einen ganzen Kosmos aus. Silodenken zum Beispiel: Man hat gleich Assoziationen von historisch gewachsenen großen Organisationen, in denen sich dort beschäftigte Professionen gegeneinander abschotten. Wie zum Beispiel in Krankenhäusern oder kommunalen Verwaltungen. Wunderbar komplementär lassen sich dann Scheinwerfer als Gegenlicht aufstellen: Change Management und Agilität zum Beispiel. Die Silos müssen aufgebrochen werden, ebenso die jahrzehntelangen Verkrustungen, alles muss viel schneller werden usw. usf. Und wir brauche mehr Kommunikation – hilft ja immer. Nein.

In der ZEIT stritten letztens Berater, Botschafter, Politikerin und Journalist über die Außenpolitik Angela Merkels. Die Diskussion wurde in ein anderes Licht getaucht als einer der Teilnehmer das aktuell erlebbare Ergebnis als „Großcrash“ bezeichnete (Erpressbarkeit aufgrund von Gas-Abhängigkeit, bedingt einsetzbare Bundeswehr, brüchig gewordene Theorien der Außenpolitik usw.). Das brennt sich ein in die Köpfe, das bleibt hängen, das erhellt die Unübersichtlichkeit und bringt es auf einen plakativen Nenner.

Solche Scheinwerfer-Wörter erhellen. Das Ausmaß unserer gegenwärtigen Krise wird damit erfasst. Und erklärt vielleicht auch die Hilflosigkeit im Agieren, macht verständlich, warum es jetzt keine schnellen Lösungen geben kann, vieles liegt zerbrochen am Boden. Ohne viel zu erklären, nimmt man all dies zwischen den Zeilen mit so einem Scheinwerfer-Wort auf. Die Situation erschließt sich einem intuitiv, wird handhabbar, erklärt sich nahezu von allein. Diese Art von Wörtern lieben Marketeers und Werber. Das ist verständlich, bringen sie doch komplexe Sachverhalte oder Vorteile auf den Punkt.

Solche Scheinwerfer-Wörter beleuchten immer auch nur einen bestimmten Aspekt und richten den Blick, die Aufmerksamkeit, das Verständnis. So dankbar man für die Erleuchtung ist, so genauer sollte man hinschauen auf all das, was im Dunkeln liegen bleibt und obwohl schwerwiegend, nicht ins Gewicht fällt. Kommen wir auf die Diskussion in der ZEIT zurück, dann muss man eben auch sehen, dass Deutschland nach der Krim-Annexion 2014 maßgeblich EU-Sanktionen auf den Weg gebracht hat und im UN-Sicherheitsrat Russland am härtesten anging. Immerhin brachte das Putin zurück an den Verhandlungstisch. Das sind dann Nuancen für ein tieferes Verständnis, die durch die Strahlkraft von Scheinwerfer-Wörtern ausgeblendet werden. Für die Kommunikation sind Scheinwerfer-Wörter hilfreich, wenn man sie richtig einzusetzen weiß. Spätestens wenn Sachverhalte im Laufe der Zeit durch das ewige Wiederholen von Phrasen sinnentleert werden, können neue Wörter wieder wachrütteln. Einer meiner Kunden ist spezialisiert auf Krisenprojekte in der Softwareentwicklung. Wenn (meistens mehrere) Andere sich vergeblich an der Lösung versucht haben und gescheitert sind, dann wird er mandatiert. Erfolgskritische Projekte, Krisenprojekte, Großprojekte – alles Vokabeln, die man schon seit Jahrzehnten achselzuckend zur Kenntnis nimmt. Jetzt hat er einen neuen Begriff gefunden: Unterschiedsprojekte. Weil er einen Unterschied in dieser Art von Projekten macht. Weil er den Unterschied machen kann. Das leuchtet unmittelbar ein und erhellt die Einzigartigkeit dieses Technologieunternehmens. Ach, wie gern hätte ich dieses Scheinwerfer-Wort gefunden und geprägt, hab ich aber nicht. Insofern: Chapeau!

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