Letztens war ich auf einem großen internationalen Sportfest und im Plaza-Bereich vor dem Stadion hatte ein Sponsor sein Auto an einer Wand aufgehängt. Davor stand eine Tafel mit einem „Manifesto“ und natürlich ein Fotospot, damit man das Ganze mit seinem Handy fotografieren und nach Möglichkeit gleich auf Social-Media posten sollte.
Was hat ein Autohersteller mit einem Manifesto zu schaffen? Nichts. Es ist eine Variation der althergebrachten Halbnackten auf der Motorhaube. Nachdem die Pril-Blumenwelt der 70er erschöpfend zu Werbezwecken vernutzt wurde, sind es zunehmend auch die eher kapitalismuskritischen Kulturpfründe, die nun gewildert werden. Während mein Alter das als unpassend und kulturimperialistisch erlebt, kann unbeleckte Jugend das als passend, unpassend oder sogar als cool experiencen, kontext- und assoziationsfrei.
Wir glauben, dass wir Werbung durchschauen, dass wir alle perfiden Mechanismen der Manipulation schon gesehen haben, aufgeklärt und deshalb unbeeinflussbar sind. Oder vielleicht nur ein bisschen dort, wo wir es bewusst zulassen. Wir sind immer noch der Homo oeconomicus, rational, aufgeklärt, vielleicht ein wenig verspielt post-kritisch. Aber wir haben das Spiel schon durchschaut und das Heft in der Hand. Denkste Puppe.
Werbung wirkt. Und das nehmen wir zum Teil bewusst wahr, vieles läuft aber auch implizit ab. Ein Buchhändler konnte seinen Umsatz zweistellig steigern, indem er einen weicheren Teppich in seiner Buchhandlung verlegen ließ. Versuchsteilnehmer hinterließen den Übungsraum ordentlicher, wenn zwar nicht sichtbar, aber gut wahrnehmbar ein Zitrusreiniger im Raum zu riechen war. Es sind eben auch implizite Tatsachen, die unsere Entscheidungen beeinflussen. Und wir nehmen weit mehr wahr als wir wahrhaben wollen.
In einem Versuch sollten Testpersonen Werbespots auf dem Bildschirm beurteilen. Gleichzeitig flimmerten am unteren Bildschirmrand Gewinn und Verlust von Aktienwerten durch. Die Werbespots waren nur eine vorgeschobene Aufgabe, denn die Forscher fragten anschließend, welche Aktien die Probanden denn kaufen würden. Und siehe da: Auch wenn die Teilnehmer keine Ahnung von der Börse hatten, nannten sie intuitiv trotzdem die Aktien mit den höchsten angezeigten Gewinnen. Was passiert wohl in unserem Gehirn „nebenbei“, wenn wir uns durchs Internet bewegen?
IT- und Technologie-Unternehmen verzichten gerne auf Werbung. Zum einen, weil sowieso mehr Aufträge als Mitarbeiter da sind. Zum anderen, weil man immer noch gerne der Weisheit von Henry Ford anhängt: „Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ Neben der Zielgruppe Kunden gibt es aber auch die der Bewerber – Fachkräftemangel ist ja inzwischen ein Synonym für IT-Branche. Warum wird hier nicht viel massiver geworben und Branding betrieben? Es muss ja nicht immer ein Manifest oder ein flauschiger Teppich sein. Aber wie wärs mit intelligenter, sympathischer, fordernder, informativer Werbung? Hört auf zu jammern, macht was, werbt was, überrascht uns.