In meiner Zeit bei einem Solarunternehmen kam es schließlich zum Äußersten: der Laden musste dicht gemacht werden. Teilverkauf und Abwicklung würden in den nächsten Monaten folgen. Die Botschaft musste an alle überbracht werden, Wochen des Bangens (und vergeblichen Hoffens) mussten über die Bühne gebracht werden. In unserer Zentrale gab es jede Woche ein Gesamt-Mitarbeiter*innen-Meeting, in dem mein Chef eine Rede hielt. Jede Woche bereitete ich diese Rede vor, er hielt sie. Entscheidend war oft, was ich nicht aufgeschrieben hatte, und er hinzufügte. Meine Worte waren die Glattgebügelten der Unternehmenskommunikation, die Offiziellen, juristisch unbedenklichen. Seine Worte waren die emotionalen, tröstenden, wärmenden, warnenden, hinweisenden, Möglichkeiten aufzeigenden. Jede Woche zog er diesen doppelten Boden in meinen Vorschlag ein und spannte ein kommunikatives Netz, mit dem er uns Abstürzende auffing.

Double Talk ist eine wichtige Kompetenz, die viel mit sozialem Verständnis und Empathie zu tun hat. Es wäre viel zu billig, dies als Unehrlichkeit abzutun. Aus guten Gründen gibt es manchmal Anlässe, die Unschärfe erfordern, manchmal sogar nötig machen, oft auch, um die spitzen Tatsachen auf ein erträgliches Maß abzumildern. Aus meiner kommunikativ professionellen Warte ist das hohe Kunst.

Eine ähnliche Funktion hat der Small Talk. Klar: Wir reden über das Wetter, den Sport, die neuste Serie, erzählen Witziges. Aber eben nicht nur. Wir tauschen immer auch Beziehungsdefinitionen aus. Wenn man so will, tritt unser beider Unbewusstes in Dialog. Richtig schön kann das nach Feierabend bei einem Bier werden oder in der Kneipe, wo einem die Ideen nur so zufliegen und im besten Fall wie aufeinanderstoßende Feuersteine funkelnd Ideen schlagen. Im allerallerbesten Fall ist sowas auch ein Brainstorming. Schön, wenn am nächsten Tag dann jemand sagt: Wir haben ja gestern im Spaß dies und das gesagt – ich habe noch mal drüber nachgedacht und bin dabei auf Folgendes gekommen: Was hältst du davon, wenn wir… Träumchen, wenn das dann so läuft.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert