Olympiade 1972 – das 50-jährige feiern wir zurzeit in München und sofort denkt man an die frischen Farben, Waldi und Otl Aicher, den genialen Designer hinter dem gesamten System. Er war geprägt vom Pragmatismus und dies hatte mit dem 2. Weltkrieg zu tun: Als junger Mann war ihm nach 1945 klar, dass es jetzt nicht um Vergeistigung gehen kann, sondern um Anpacken und Aufbauen. Konsequent wandte er sich Industrieunternehmen zu, für die er designen wollte. Und seine Kundenliste ist beeindruckend: BASF, Bayerische Rück, Braun, Bulthaupt, Dresdner Bank, Erco, FSB, Lufthansa, Münchner Flughafen, Sparkasse, WestLB und wirklich viele andere mehr.

Besonders in Erinnerung ist mir seine Beauftragung durch die Firma FSB Franz Schneider Brakel geblieben – deren damaliger CEO Jürgen Werner Braun selbst von seiner ersten Begegnung mit Otl Aicher berichtet:

„Schließlich fragte mich der Meister mit ernster Stimme, was ich denn nun genau wolle. Ich war überrascht. Für mich war ganz klar: einen neuen Produktkatalog. Herr Aicher fragte freundlich nach, was ich denn damit meine. Ich sagte: ‚Ich will einfach einen neuen Katalog mit ansprechenden Bildern und gutem Grafikdesign. Ich nehme an, dass Sie dafür der passende Experte sind.‘ Was dann folgte, treibt mir heute noch die Schamesröte ins Gesicht. Er sagte: ‚Junger Mann, ich bin kein Firmen-Anstreicher! Sie fahren jetzt mal nach Hause und denken darüber nach, was sie wirklich machen. Wenn Sie das dann wissen, können Sie mich wieder anrufen‘. Das war eine höfliche, aber bestimmte Absage. Herr Aicher traute sich zu sagen, dass wir nicht wüssten, was wir eigentlich täten. Ich war total perplex, packte meine Sachen und rauschte ab in Richtung Norden.“
(aus dem wunderbaren Buch von Markus Rathgreb: Otl Aicher, London 2006: Phaidon Verlag)

Es kam dann doch zu einer (sehr erfolgreichen) Zusammenarbeit, weil Herr Braun den Fehdehandschuh aufnahm und seine Hausaufgaben machte. Die Produkte „Türgriffe“ der Firma FSB wurden grundlegend überarbeitet und konnten danach formalästhetisch, ergonomisch und benutzerfreundlich auf einem ganz neuen Level überzeugen. Ganz zum Schluss (!) kam das neue FSB-Logo durch Otl Aicher dazu, dass er von einer Türklinke des Philosophen Ludwig Wittgensteins ableitete.

Richtiger Platz, richtige Zeit, richtig Mumm: Aicher war auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen, hatte namhafte Kunden bereits erfolgreich bedient und wollte sich  Neukunden, die zu ihm nach Rotis in sein Studio kommen mussten, nun gezielt aussuchen.  Um die Attitüde, die er sich verdientermaßen leisten konnte, soll es hier nicht gehen, sondern um eine gelingende Kunden-Dienstleister-Beziehung. Zu sagen, dass die vom Kunden vorgeschlagene, angedachte Lösung nicht zielführend ist, kommt auch vor, wenngleich wohl eher selten. Und wie man es dann begreiflich macht, ist sehr subjektiv und hat sich vielleicht (hoffentlich!) auch mit der Zeit gewandelt. Wichtig für eine gute Zusammenarbeit ist zuallererst einmal die Bereitschaft des Dienstleisters, richtig gute Lösungen zu entwickeln, innovativ, inspirierend zu sein und dabei umsichtig das Neue vorzustellen. Gerade dieses Umsichtige macht einen erheblichen Teil des gelingenden Auftrags aus: Wie gestalte ich den Vorschlag so, dass die Organisation, die Menschen ihn auch gerne und offen annehmen (können)?! Vom Auftraggeber gehören dazu: Vertrauen, dass eine gute Lösung gefunden wird, Freiraum, dass diese gesucht und entwickelt werden kann, Offenheit und Bereitschaft, bislang Gewusstes, Gedachtes und Gemachtes zu ergänzen, ggf. auch zu revidieren. So kann ein wohlwollender, engagierter Austausch entstehen, weil beide Seiten es begreifen und wissen, was sie aneinander haben: eine fruchtbare, ergebnisorientierte Zusammenarbeit.

Bild: Entwurf von Otl Aicher und dessen Umsetzung für die Türgriffe der Firma FSB Franz Schneider Brakel

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