In der Arbeit mit (jungen) Informatiker*innen habe ich immer wieder die Erfahrung gemacht – nachdem sie ein wenig aufgetaut waren und ihre Meinung anvertrauten – dass sie Marketing als Verarschung, als durschaubare Manipulation verstanden und deshalb starke Vorbehalte für eine Zusammenarbeit hatten. In ihrer Sicht handelt es sich um Techniken des Verkaufens, die einen dazu verführen, Dinge zu glauben und zu kaufen, von denen man nach dem Kauf ernüchtert und enttäuscht feststellen muss: Das ist ja ganz anders als in der Werbung!
So direkt wird das selten gesagt, im Beratungsalltag erlebt man eher Ausweichmanöver: keine Zeit für ein Treffen oder Telefonat, keine Antworten auf E-Mails, viel Zurückhaltung in Meetings oder gerne auch unverbindliche Angebote, die ins Leere laufen. Die Informationsbrocken werden einem kurz und knapp, unvollständig oder auch hochkomprimiert vor die Füße geworfen: Lieber Berater, mach dich halt selbst schlau und mach was draus. Ich hab keine Zeit für so was.
Was bei den Informatiker:innen eher zählt, ist „das Echte“, gerne auch in Verbindung mit Bodenständigkeit, Zuverlässigkeit und Ernsthaftigkeit. Die Tonalität ist leise, der Anspruch: Es muss substanziell sein. Gut durchdacht sollte es sein, gerne auch unkonventionell, vielleicht sogar verbunden mit Widerspruch gegen herrschende Meinungen. Beziehungen sind am wichtigsten und diese können nur wachsen, wenn Vertrauen die Grundlage ist. Deshalb verspricht man nicht, was man nicht halten kann, das wäre unseriös. Das also ist die Einstellung, die einem mehr oder weniger ausgesprochen begegnet.
Und das ist der Punkt: Diese Einstellung zum Marketing ist auch eine Erzählung. Gleichwohl eine weit verbreitete Erklärung unter Informatiker*innen. Im Magazin der Süddeutschen Zeitung las ich diese Woche: Letztlich ist die Erklärung, wie für alles im Leben, nur eine Geschichte, die man sich selbst erzählt. Wie wir über Dinge, Erfahrungen und Erleben denken und darüber erzählen, ist veränderbar, auch rückwirkend. Eine neue Information, zusätzliche Details, eine Neuinterpretation führen zu einem anderen Blick auf das Erlebte, zu einer veränderten Erzählung und damit zu einer anderen Einstellung.
Für mich ist das die zentrale Aufgabe von Marketing: andere Erzählungen zu finden, zu ergänzen, zu verändern, die anschlussfähig sind an bedeutsame Werte und deshalb echt und überzeugend wirken. Ist das Manipulation? Wenn das bedeutet, dass man Argumente, Ideen, Überzeugungen zusammenträgt und zu glaubwürdigen, nachvollziehbaren, verständlichen, manchmal auch gewinnend komischen Aussagen verdichtet, dann ist Marketing von mir aus auch Manipulation. Eben eine Art von Erzählung. Die richtigen Erzählungen zu finden, die Menschen aufgeschlossen macht und zustimmen lässt – das ist eine Kunst. Das empfinde ich als Herausforderung, nichts Schöneres als das.