An Wörtern und Sätzen schrauben wir lange rum. Text ist sehr wichtig. Klar und verständlich schreiben ist nicht einfach. Bürsten, schrubben, noch mal drüber gehen. Die Sache mit der Qual. Und anschaulich, saftig, kraftvoll. Wir haben alle unseren Schneider gelesen, wenn nicht sogar seine teuren Seminare besucht.
Lesen am Bildschirm hat das Schreiben noch mal neu gefordert. Kürzer, prägnanter und packender muss es sein. Gleichzeitig darf das SEO nicht vernachlässigt werden, diese anspruchsvolle Internet-Göre. Die Quadratur des Kreises gebiert Häppchen-Journalismus und alles muss in 15 Sekunden verdaubar sein. Die Algorithmen haben Warhols 15 minutes of fame inzwischen pulverisiert.
Was aber an Überarbeitungsfleiß in die Texte gesteckt wird, wird bei der Bildsprache wieder eingespart. Bilder werden dazu geklatscht, Budgets für hochwertige Quellen existieren nicht, der genormte Blick, das schöne Nichts regiert und wir haben uns dank Social Media daran gewöhnt, füttern uns durch mit lizenzfreiem Material.
Software-Unternehmen tun sich ein bisschen schwerer mit dem Thema Bild, weil es die intangible industry ist. B2B-Produkte bildlich zu unterstützen ist anspruchsvoller als Mode, Autos, Häuser. Nicht selten wird das schwerverständliche Produkt (Software-Lösung) durch ein abstraktes Bild begleitet: Architektonische Formen, die sich in die schöne Unendlichkeit verlieren. Schnell wirkt dies beliebig, was dann gerne durch Einfärbung in die Corporate Farben „irgendwie“ gerettet werden soll. Schade.
Der Vorteil von Bildern liegt im Bypass der Blut-Hirn-Schranke: Sie gehen direkt ins Gefühl und werden zack: verstanden. Insofern liegt in ihnen die große Kraft, die Abstraktion von B2B-Produkten zu erden und das Verständnis zu erleichtern. Oder der Leserin zumindest zu signalisieren: Halte durch! Wir wissen, es ist kompliziert, aber es wird sich für dich lohnen. Auf diese Steigbügelhilfe des Verstehens wird in vielen Technologie-Unternehmen leichtsinnig verzichtet.
Wenn die Bildsprache konsistent entwickelt ist, dann schafft sie Wiedererkennung und Identifikation. Damit trägt sie wesentlich zur Markenstärke bei. Entscheidend sind aber auch die Bildinhalte: Sie sollten mehr als die Verdopplung der Textaussage, der Überschrift sein, sondern damit resonieren und einen Aha-Effekt auslösen. Hier versteckt sich die Kreativität und will herausgelockt werden. Vor dem Hintergrund, dass immer mehr Mitarbeiter:innen für das Unternehmen sprechen bzw. auf den Social Media-Kanälen posten, ist es hilfreich, diesen visuelle Hilfestellung zu geben, vielleicht auch Leitplanken zu entwickeln. Sonst wird das, was die Marketing-Abteilung mühsam aufgebaut hat, wieder unbedarft konterkariert. Und wir brauchen einen anderen, wacheren Blick: Instagram und Co. haben unser Bildverständnis genormt, um nicht zu sagen verformt, im Sinne von: gesellschaftlich erwünscht. Schönheit ist ein gesellschaftliches Konstrukt und führt allzu schnell in die Konformität. Sich einen wachen Blick für das Ungewohnte, Eigenartige, vielleicht sogar im ersten Moment Verstörende zu bewahren, ist eine Entwicklungsaufgabe. Also: Strengt euch an.
Chapeau! Sehr gelungener Blogbeitrag, den ich nur unterschreiben kann. Dazu könnte man noch anfügen, dass es nicht allein darum geht, sich mindestens die gleiche Zeit für die Bildauswahl/Bildsprache zu nehmen, wie für die Erstellung des Textes. Mega wichtig ist auch, sich bei der Bildauswahl in die Zielgruppe reinzudenken. Mit welchem Bildinhalt, welcher Bildstimmung und welchem Bildstil holt man die Leser ab, zieht sie in den Text? Gibt es sogar Bilder, die eine Kaufentscheidung oder eine Handlung im Verkaufsprozess befeuern könnten? Ein belangloses Bild erfüllt diese Aufgabe nicht.
Herzliche Grüße, Angelika Güc
Danke Frau Güc, Sie haben vollkommen recht. Es gehört eben auch ein Bildkonzept dazu, um die volle Kraft aus Text und Bild = Aussage entfalten zu können. Auf Ihrem Blog finden sich dazu immer wieder inspirierende Beiträge 😉
Schönen Gruß
Hermann Iding