So oder ähnlich könnte die Frage eines Kindes lauten, wenn der Vater in der IT-Industrie arbeitet. Schließlich entstehen keine vorzeigbaren Gegenstände und selbst die Use Cases sind teilweise schwer zu erklären, wenn es beispielsweise um Backend-Systeme geht. Auch auf Partys kennt man die typischen Dialoge: Was macht eigentlich der Lukas beruflich? Ach, irgendwas mit IT… Fehlende Anschaulichkeit trifft auf Erklärungsnot. Wenn man Marketing und PR für Technologieunternehmen macht, ist das meist die Ausgangssituation. Wenn nichts passiert, wuchern bald Details und Fachchinesisch als Inhaltssurrogate.
Non-Tangibles gibt es aber auch in anderen Branchen und Industrien. Die gleiche Malaise finden wir bei Banken und Versicherungen vor. Sind diese spezialisiert, wie zum Beispiel Rück-Versicherungen, wird es gleich schwerer. Der Designer Otl Aicher, der in diesem Monat seinen 100. Geburtstag hätte feiern können, ging dediziert auf diese Herausforderung seiner Kunden ein. In den 70er Jahren entwickelte er ein neues Corporate Design für die Bayerische Rückversicherung. Neben dem schwer Greifbaren des Geschäfts erkannte Aicher auch noch den gesellschaftlichen Widerhall, mangelndes Vertrauen und fehlende Zuverlässigkeit, den das Versicherungsgeschäft traf.
Aicher hätte es einfach haben können aufgrund seiner genialen Begabung, aber er verstand sich eben nicht als Firmen-Anmaler, der ein paar neue Farben und ein Logo liefert. Es kam vor, dass dies von ihm verlangt wurde, aber dann schickte er den CEO zum Nachdenken erst einmal nach Hause. So geschehen bei der Firma FSB, mit der ihn nach dieser initialen Irritation eine langjährige, fruchtbare Geschäftsbeziehung verband. Denn Aicher dachte weiter. Sein integraler Design-Ansatz berücksichtigte immer auch die soziale, gar kommunale Eingebundenheit des Unternehmens. Und dies half beispielsweise auch einer Bayerischen Rück ihre Sichtbarkeit zu erhöhen, indem sie sich kulturell und philosophisch engagierte, zum Beispiel durch das Verlegen von Büchern und der Organisation von publikumsträchtigen Ausstellungen. PR und Marketing waren für Aicher zwei Seiten einer Medaille und er wusste immer genau, mit welcher Seite er auf die Stärke einer Marke einzahlen musste.
Dies könnte auch eine Blaupause für die unsichtbaren Software-Unternehmen heutzutage sein. Warum nutzt man nicht die aktuelle Nähe durch NFTs zur Kunst und eröffnet eine Galerie mitten in der Stadt? Wie wäre es mit einem VR-Festival, auf dem man internationale Künstler zusammenholt und das ganze weltweit immersiv zugänglich macht? Auch ein digitales Museum wäre denkbar, in dem hochauflösend Zugang zu wichtigen Werken der Kunstgeschichte gewährt wird und XR-Preise für historische Dokumentationen verliehen werden. Literaturhäuser sind das eine, entsprechende Digitalhäuser, in denen die Zukunft be-greifbar wird, wären vielleicht das andere, das neue Schwarz. So etwas würde einiges her machen und garantiert für Sichtbarkeit sorgen.